Edgar G. Ulmer
fertiggestellt
Edgar G. Ulmer – Der Mann im Off
Mischief Films, Edgar G. Ulmer Preservation Corp.
Regie | Michael Palm |
Kamera | Joerg Burger |
Ton | Georg Misch |
Montage | Michael Palm, Marek Kralovsky |
Produzent | Georg Misch, Ralph Wieser, Arianné Ulmer Cipes |
Zusammenarbeit | WDR |
Förderer | Filmfonds Wien, BMUKK - Austrian Federal Ministry for Education, the Arts and Culture, Land Oberösterreich |
Produktionsleitung US | Dagmar Hovestadt |
Produktionssekretariat | Angela Leucht |
Produktionsassistenz | Kerstin Gebelein |
Sprachen | Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Festivals
- FIPA 18. Festival International de Programmes Audiovis., 2005, France
- International Film Festival Rotterdam, 2005, The Netherlands
- Int. Film Festival Bratislava, 2005, Slovak Republic
- DIAGONALE Festival of Austrian Film, 2005, Austria
- Crossing Europe Filmfestival Linz, 2005, Austria
- Tribeca Film Festival New York, 2005, USA
- San Francisco Film Society’s 48th Intern. Film Festival, 2005, USA
- Pacific Film Archive Berkeley, 2005, USA
- Toronto Jewish Film Festival, 2005, Canada
- Melbourne International Film Festival, 2005, Australia
- National Film Theatre London, 2005, United Kingdom
Pressestimmen
Synopsis
Edgar G. Ulmer war ein Grenzgänger zwischen Kunst und grellem Schund, gediegenem Hollywood-Filmhandwerk und reißerischem Trash. Er war Vorbild für Regisseure wie Martin Scorsese, Peter Bogdanovich oder die französische Nouvelle Vague. Der Film präsentiert eine detektivische Entdeckungsreise in die seltsame Welt der B-Movies und das geheimnisvolle und tragisch verlaufende Leben des in Österreich geborenen Regisseurs, welcher am Rand Hollywoods eine eigenwillige Karriere machte.
„Ein Bild Ulmers ähnelt weniger einer Fotografie als einem rätselhaften Phantombild“, wie Stefan Grissemann in seiner Ulmer-Biographie „Mann im Schatten“ schreibt. Ein Bild, das sich aufgrund der Aussagen seiner Mitarbeiter, Fans, Angehörigen aber auch ernsthafter Wissenschaftler ergibt und das durchaus widersprüchlich ist und fragmentarisch bleibt. Die Trennung von Legenden und Fakten ist schwierig, für ein filmisches Portrait aber eine reizvolle Herausforderung.
Edgar G. Ulmer gleicht einem Vexierbild. Ein Porträt von ihm zu entwerfen, heißt, all die konträren und einander widersprechenden Aussagen wertzuschätzen. Neben der Porträtierung eines klassischen Künstler-, Emigranten- und Außenseiterschicksals des 20. Jahrhunderts geht es deshalb vor allem um die detektivische filmische Nachforschung zu Ulmers Kultstatus. Die Frage nach einer Wahrheit ist, ähnlich wie in vielen Filmen Ulmers, ist eigentlich nicht zu beantworten. Deshalb liegt das Hauptaugenmerk auf den Nachforschungen selbst, wodurch mehrere spannende Wahrheiten ko-existieren können.
Ulmers Figur wirft viele Schatten: Er hat überall Spuren hinterlassen, ist selbst aber schwer zu sehen; seine Geschichte verläuft im Zickzack-Kurs, ist voller Löcher und Widersprüche. Trotzdem war sein Einfluss auf andere beträchtlich, waren seine Spuren markant. Edgar G. Ulmer ist ein Symptom, das erst interpretiert und gelesen werden muss. Dafür stehen uns Quellmaterialien wie Ulmers sämtliche Filme und die Fragmente unvollendet gebliebener Werke, Briefe und seltene Fotografien, das Tonband des Interviews Bogdanovich/Ulmer sowie wichtige historische Dokumente erstmals und exklusiv zur Verfügung.
Edgar G. Ulmer
Leben: Umleitungen, Improvisation
„Das Gebet hat geholfen. Sie haben mich nicht vergessen, ich bin so gut wie angestellt bei Paramount. Produzent – Regisseur – mein Gott! Wir sind wieder daheim und auf dem Weg.“
(Brief von Edgar G. Ulmer an seine Frau Shirley, 1. Juli 1941)
Die Hoffnung, zu Lebzeiten in den Reigen der großen Hollywood-Regisseure aufgenommen zu werden, sollte sich für Edgar G. Ulmer nie erfüllen. Hollywood, das Ulmer lapidar „home“ nannte, blieb für ihn immer nur Objekt der Sehnsucht: nach finanzieller Sicherheit, nach künstlerischer Anerkennung. Der Zugang ins System der Hollywood-Majors blieb Ulmer jedoch zeitlebens praktisch versperrt. Andererseits bestand Ulmer auf seine künstlerische Unabhängigkeit und nahm dafür in Kauf, stets nur am Rand der Traumfabrik zu arbeiten, an Projekten mit wenig Prestige, fast immer unterbudgetiert, mit halsbrecherischem Tempo. Ulmers Leben und Werk existieren in jeder Hinsicht am Rande, im Off.
Nichts im Leben des 1904 in Olmütz (Olomouc, heutige Tschechische Republik) als Sohn jüdischer Eltern geborenen Edgar G. Ulmer verlief geradlinig. Ulmers Biografie – ein klassisches Emigrantenschicksal: 1920 Arbeit mit Max Reinhardt in Wien am Theater an der Josefstadt. Ulmer knüpft hier erste Kontakte mit dem Bühnenleben.
1921 erste Filmarbeiten mit dem Filmregisseur Friedrich W. Murnau in Berlin, etwas später bereits erste Filmarbeiten in Hollywood, 1928 Rückkehr nach Berlin, wo er zusammen mit Robert Siodmak und Billie Wilder das halbdokumentarische Meisterwerk MENSCHEN AM SONNTAG dreht. 1929 schließlich definitive Emigration in die USA.
Ulmers einziger für ein großes Hollywood-Studio gedrehter Film bleibt der Horrorfilm THE BLACK CAT (1934, mit Boris Karloff und Bela Lugosi), ein Klassiker des Genres. Kurz darauf verschlägt es ihn nach New York. Sei es, weil er von Hollywood unabhängig sein will, sei es, weil er von dort ohnehin keine Aufträge bekommt. Ulmer dreht ab 1937 in und um New York ethnical movies, jiddische Filme, einen Spielfilm in der Black Community New Yorks, Arbeiten mit Mexikanern und Navajo-Indianern. Weiters hält er sich mit Aufklärungs- und Industriefilmen über Wasser. Doch das sollte sich bald ändern.
„The King Of The B´s“
1942 wird Ulmer für das kleine „poverty row“ Studio PRC als Vertragsregisseur engagiert. PRC produziert B-Filme, also Filme, die den großen A-Produktionen der Hollywood-Majors im Kino in double features vorgespannt werden. Sie haben praktisch kein Prestige, sind immer billigst hergestellt und die Drehpläne sind zeitlich äußerst knapp kalkuliert. Doch gerade diese Beschränkungen fordern Ulmer heraus und prägen seinen eigenwilligen Stil. Bei PRC dreht er seine besten Arbeiten, darunter die mittlerweile zu Kultfilmen der „Schwarzen Serie“ avancierten Arbeiten.
Nach einem Streit verlässt Ulmer PRC und arbeitet ab 1946 frei und unabhängig, stets auf der Suche nach Projekten, stets in Geldnöten. Es entstehen Filme wie: THE STRANGE WOMAN, RUTHLESS, THE NAKED VENUS und THE CAVERN.
Seine Filme nennt Ulmer selbst „morality plays“, oft (Melo-)Dramen von Schuld und Sühne mit alttestamentarischer Wucht, meist pessimistisch und in jeder Hinsicht dunkel. Auch Ulmers Helden sind Außenseiter, verstoßene Einzelgänger, Ausgesetzte, Menschen, die nicht recht ins Bild passen. Viele Arbeiten können ihre armselige Budgetierung nicht verleugnen. Ulmer versucht jedoch, aus möglichst wenig viel herauszuholen. Selbst aus bildungsbürgerlichem Milieu stammend, versucht er, seine meist trivialen Stoffe, oft pulp fiction, mit kulturellem Mehrwert auszustatten. Er muss Kompromisse eingehen. Aber erst auf diese Weise entsteht der typische Ulmer-Stil: rauh und minimalistisch, manchmal grell und überambitioniert, stets jedoch eigenwillig und atmosphärisch dicht, oft in Opposition zum glatten Stil der großen Hollywood-Studios.
Trotz all dieser Qualitäten, die erst die nachfolgenden Generationen erkennen sollten, verläuft Ulmers Karriere tragisch: Ende der 60er Jahre versucht er trotz mehrerer Schlaganfälle, wieder in Hollywood zu arbeiten, scheitert aber an der Realisierung der meisten Projekte. Zwei Jahre vor seinem Tod, schon schwer von seiner Krankheit gezeichnet und am Ende seiner Kräfte, gibt er dem Filmregisseur Peter Bogdanovich ein mehrstündiges Tonbandinterview, das sich durchaus als Ulmers Vermächtnis verstehen lässt. 1972 stirbt Ulmer verarmt in einem Pflegeheim in Kalifornien. Auf seinem Grabstein findet sich die Inschrift: „Talent Obliges“ – Talent verpflichtet.
Ruhm, Scheitern und kultische Verehrung
Nach seiner „Entdeckung“ in den frühen 60er Jahren - hauptsächlich von den cinephilen Kritikern und Regisseuren im Dunstkreis der Nouvelle Vague - wird Ulmer als Kultregisseur, als auteur gefeiert und verehrt. Seine Bewunderer schätzen Ulmers Talent, aus minimalen Budgets das künstlerische Maximum herauszuholen, seine pessimistischen, existentialistischen Helden und Geschichten, seine Virtuosität im Umgang mit Licht und Kamera. Sein Oeuvre lässt sich als Subversion und ständiges Aufbegehren gegen die strengen erstarrten Formen und Regeln des Hollywood-Systems verstehen, gegen die großen Filmstudios und ihre ökonomische Macht; es zeigt aber auch, dass diese künstlerische Eigenständigkeit einen hohen Preis hat und tragisch scheitern muss.
Bis heute gilt Ulmer als Prototyp des independent, des unabhängigen Filmschaffenden, der ohne den Rückhalt einer Industrie auskommen und sich von einem Projekt zum nächsten retten muss. Heute, in Zeiten des digitalen, billigen, selbstgebastelten Kinos wird Ulmer wieder ganz aktuell, wie einst zur Hochblüte der Nouvelle Vague. Nicht nur in dieser Hinsicht repräsentiert Ulmer ein Stück Filmkulturgeschichte: nicht das kanonisierte, machtvoll kapitalisierte Kino, sondern ein kleines, minoritäres und wendiges Kino mit der Lust am Fabulieren und an der Improvisation.